Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) mit der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift: § 30 Soziotherapie

 

 

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Bundesbeihilfeverordnung (mit den Durchführungshinweisen der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift)

§ 30 Soziotherapie
Aufwendungen für Soziotherapie sind beihilfefähig, wenn die oder der Beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Angehörige wegen einer schweren psychischen Erkrankung nicht in der Lage ist, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbstständig in Anspruch zu nehmen, und durch die Soziotherapie eine Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird. Dies gilt auch, wenn die Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht durchführbar ist. Inhalt und Ausgestaltung der Soziotherapie richten sich nach § 37 a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch.

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur BBhV

30 Zu § 30 Soziotherapie
30.0 Allgemeine Hinweise zur Zielrichtung und Ausgestaltung der Soziotherapie
30.0.1 Die Regelung der Beihilfefähigkeit der Soziotherapie orientiert sich an § 37 a SGB V. Nach § 37 a Abs. 2 SGB V bestimmen sich Inhalt und Ausgestaltung der Soziotherapie nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss) über die Durchführung von Soziotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (Soziotherapie-Richtlinien) in der Fassung vom 23. August 2001, BAnz. S. 23735 vom 21. November 2001, die am 1. Januar 2001 in Kraft getreten sind. Schwer psychisch Kranke sind häufig nicht in der Lage, Leistungen, auf die sie Anspruch haben, selbstständig in Anspruch zu nehmen. Soziotherapie soll ihnen die Inanspruchnahme ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen ermöglichen. Sie soll der Patientin oder dem Patienten durch Motivierungsarbeit und strukturierte Trainingsmaßnahmen helfen, psychosoziale Defizite abzubauen; die Patientin oder der Patient soll in die Lage versetzt werden, die erforderlichen Leistungen zu akzeptieren und selbstständig in Anspruch zu nehmen. Sie ist koordinierende und begleitende Unterstützung und Handlungsanleitung für schwer psychisch Kranke auf der Grundlage von definierten Therapiezielen. Dabei kann es sich auch um Teilziele handeln, die schrittweise erreicht werden sollen. Soziotherapie findet überwiegend im sozialen Umfeld der Patientinnen und Patienten statt und umfasst die Koordination der im Rahmen des ärztlichen Behandlungsplans festgelegten Maßnahmen. 8Soziotherapie unterstützt einen Prozess, der den Patientinnen und Patienten einen besseren Zugang zu ihrer Krankheit ermöglicht, indem Einsicht, Aufmerksamkeit, Initiative, soziale Kontaktfähigkeit und Kompetenz gefördert werden.
30.1 Beihilfefähigkeit der Soziotherapie
30.1.1 Soziotherapie ist grundsätzlich beihilfefähig, wenn dadurch eine Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder wenn diese geboten, aber nicht ausführbar ist.
30.1.2 Die Aufwendungen für Soziotherapie sind beihilfefähig bei Vorliegen einer schweren psychischen Erkrankung nach Nummer 30.2 mit Fähigkeitsstörungen aus allen in Nummer 30.3 aufgeführten Bereichen (wobei innerhalb der einzelnen Bereiche jeweils eine Störung ausreicht) und einem Schweregrad, der den Wert 40 auf der GAF-Skala (Global Assessment of Functioning) nicht überschreitet.
30.2 Schwere psychische Erkrankungen in diesem Sinne sind solche aus den Bereichen des schizophrenen Formenkreises (ICD-10-Nrn.: F 20.0 – 20.6 (Schizophrenie), 21 (schizotype Störung), 22 (anhaltende wahnhafte Störung), 24 (induzierte wahnhafte Störung) und 25 (schizoaffektive Störung)) und der affektiven Störungen (ICD-10-Nrn.: F 31.5 (gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung), 32.3 (schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen) und 33.3 (gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung)).
30.3 Die Erkrankungen, die der Soziotherapie bedürfen, sind gekennzeichnet durch folgende Fähigkeitsstörungen:
30.3.1 Beeinträchtigung durch Störungen des Antriebs, der Ausdauer und der Belastbarkeit, durch Unfähigkeit zu strukturieren, durch Einschränkungen des planerischen Denkens und Handelns sowie des Realitätsbezuges.
30.3.2 Störungen im Verhalten mit Einschränkung der Kontaktfähigkeit und fehlender Konfliktlösungsfähigkeit.
30.3.3 Einbußen im Sinne von Störungen der kognitiven Fähigkeiten wie Konzentration und Merkfähigkeit, der Lernleistungen sowie des problemlösenden Denkens.
30.3.4 Mangelnde Compliance (Therapietreue) im Sinne eines krankheitsbedingt unzureichenden Zugangs zur eigenen Krankheitssymptomatik und zum Erkennen von Konfliktsituationen und Krisen.
30.4 Die Beihilfefähigkeit der Soziotherapie setzt voraus, dass die Patientin oder der Patient die Therapieziele erreichen kann. Deshalb soll die Patientin oder der Patient über die hierzu notwendige Belastbarkeit, Motivierbarkeit und Kommunikationsfähigkeit verfügen und in der Lage sein, einfache Absprachen einzuhalten. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn bei der Patientin oder dem Patienten keine langfristige Verminderung der in Nummer 30.3 genannten Fähigkeitsstörungen und kein längerfristig anhaltendes Erreichen der soziotherapeutischen Therapieziele zu erwarten ist.
30.5 Wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung der Soziotherapie vorliegen, sind die im Folgenden aufgeführten Leistungen beihilfefähig, die die Patientin oder den Patienten zur selbstständigen Inanspruchnahme ärztlicher oder ärztlich verordneter Maßnahmen befähigen sollen:
– Erstellung des soziotherapeutischen Betreuungsplans,
– Koordination von Behandlungsmaßnahmen und Leistungen,
– Arbeit im sozialen Umfeld,
– Soziotherapeutische Dokumentation.
Darüber hinaus können die Aufwendungen für folgende Maßnahmen als beihilfefähig anerkannt werden:
– Motivations-(antriebs-)relevantes Training,
– Training zur handlungsrelevanten Willensbildung,
– Anleitung zur Verbesserung der Krankheitswahrnehmung,
– Hilfe in Krisensituationen.
30.6 Anerkennung und Umfang der Beihilfefähigkeit
30.6.1 Die Verordnung von Soziotherapie dürfen Ärztinnen und Ärzte vornehmen, die berechtigt sind, die Gebietsbezeichnung Psychiatrie oder Nervenheilkunde zu führen.
30.6.2 Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für eine Soziotherapie ist die Motivierung der Patientin oder des Patienten, die Überweisung wahrzunehmen. Zur Erreichung dieses Zieles stehen den soziotherapeutischen Leistungserbringern maximal drei Therapieeinheiten zur Verfügung. Diese werden auf das Gesamtkontingent der Soziotherapie angerechnet, wenn es zur Verordnung von Soziotherapie kommt.
30.6.3 Lässt es sich nicht erreichen, dass die Patientin oder der Patient die Überweisung zu einer Ärztin oder einem Arzt wahrnimmt oder kommt es nicht zur Verordnung von Soziotherapie durch eine genannte Ärztin oder einen genannten Arzt, sind die maximal drei von einer soziotherapeutischen Leistungserbringerin oder einem soziotherapeutischen Leistungserbringer erbrachten Therapieeinheiten dennoch beihilfefähig.
30.6.4 Die Dauer und die Frequenz der soziotherapeutischen Betreuung sind abhängig von den individuellen medizinischen Erfordernissen. Es können insgesamt höchstens bis zu 120 Stunden je Krankheitsfall innerhalb eines Zeitraumes von höchstens drei Jahren als beihilfefähig anerkannt werden. Unter einem Krankheitsfall ist eine Phase der Behandlungsbedürftigkeit bei einer der in den Nummern 30.1.2 bis 30.4 aufgeführten Indikationen von bis zu drei Jahren zu verstehen.
30.6.5 Als beihilfefähig anerkannt werden können je Verordnung bis maximal 30 Therapieeinheiten, höchstens jedoch so viele Therapieeinheiten, wie zur Erreichung des Therapiezieles oder bis zur Feststellung, dass dieses nicht erreichbar sein wird, erforderlich scheinen.
30.6.6 Eine Soziotherapieeinheit umfasst 60 Minuten. Die Therapieeinheiten können in kleinere Zeiteinheiten maßnahmebezogen aufgeteilt werden. Dies ist in der soziotherapeutischen Dokumentation (Zeitaufwand) entsprechend zu vermerken.
30.6.7 Soziotherapie wird in der Regel als Einzelmaßnahme erbracht. Soziotherapie kann in Absprache von Ärztin oder Arzt und Leistungserbringerin oder Leistungserbringer in besonderen Fällen auch in gruppentherapeutischen Maßnahmen erbracht werden. Dabei kann die Gruppengröße je nach Zielsetzung einer Sitzung bis zu zwölf Teilnehmerinnen oder Teilnehmer umfassen. Bei gruppentherapeutischen Maßnahmen umfasst die Soziotherapieeinheit 90 Minuten. Dadurch darf jedoch das maximale Gesamtkontingent für Soziotherapie von 120 Zeitstunden nicht überschritten werden.
30.6.8 Die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Soziotherapie erlischt, wenn sich im Laufe der Behandlung herausstellt, dass die Patientin oder der Patient nicht geeignet ist oder die definierten Therapieziele nicht erreichen kann und die Behandlung aus diesem Grunde beendet wird. Entsprechendes gilt bei vorzeitigem Erreichen der Therapieziele.
30.6.9 Wird während der Soziotherapie eine stationäre Behandlung notwendig, die die Weiterführung der Soziotherapie nach dem Betreuungsplan nicht möglich macht, umfasst die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Soziotherapie auch den Kontakt der Leistungserbringerin oder des Leistungserbringers der Soziotherapie mit der Patientin oder dem Patienten, um eine möglichst frühzeitige Entlassung zu erreichen und in Absprache mit der verordnenden Ärztin oder dem verordnenden Arzt die Wiederaufnahme und Weiterführung der Soziotherapie sicherzustellen.
30.6.10 Die Leistungserbringung und die Höhe der Vergütung richtet sich nach den geschlossenen Verträgen des § 132 b des SGB V.


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